Blitzen in der Hochzeitsreportage

Mein bisheriger Weg

Ich habe mir lange auf meinem Weg als Hochzeitsfotograf eingeredet, dass ich ein natürlicher Fotograf bin und die Szenerie so einfangen möchte wie sie ist. Das sehe ich im Prinzip auch heute noch so, wobei mir mittlerweile sehr klar ist, dass ich in der ein oder anderen Situation eingreifen muss, damit am Ende das Ergebnis entsteht, das die Brautpaare sich wünschen. Dies fängt schon bei den Vorgesprächen zur Hochzeit an. Brautpaare heiraten in der Regel das erste Mal und wissen deshalb viele Dinge noch nicht, die ich als Hochzeitsfotograf bereits Dutzende Male erlebt habe, sodass ich es als meine Aufgabe sehe die Brautpaare dabei zu unterstützen einen wunderschönen Tag mit möglichst wenigen Störungen zu erleben.

Die Lichtsetzung und das Spiel mit künstlichem Licht, welches ich in der Videografie von Anfang an sehr ernst genommen habe, spielte verrückterweise in meiner Fotografie lange nur eine untergeordnete Rolle. Wahrscheinlich habe ich mir eingebildet, dass aufgrund der hervorragenden Iso-Performance meiner Fuji-Kameras und der Möglichkeit in Raw zu fotografieren, das künstliche Licht nicht so wichtig sei. Was ich bei dieser Sichtweise missachtet habe, sind die kreativen Möglichkeiten, die durch künstliches Licht erst entstehen. Richtig eingesetzt kannst du alleine mit einem Aufsteckblitz innerhalb von Sekunden verschiedenste Stimmungen im Bild erzeugen. Von verrückt und energetisch, über moody, romantisch und strahlend verträumt. Ich möchte dir in diesem Blogartikel beschreiben wie ich derzeit in den verschiedenen Phasen der Hochzeit Blitzlicht einsetze und wo ich vielleicht auch noch hinkommen möchte. Viel Spaß beim Lesen.

Meine Equipment

Ich nutze seit etwa 1,5 Jahren den Godox V1 für Fuji mit dem Godox XPro-F, einer Mastersteuereinheit, mit der ich den V1 entfesselt ansteuern kann. In diesem Jahr sind aufgrund eines Schulfotografie-Auftrags in der Schule meiner großen Tochter noch der Godox V860 III und ein Godox AD300 Pro dazu gekommen. Entfesselt befinden sich derzeit noch die Blitze auf meinen großen Lichtstativen (Manfrotto Stativ Master AC), die wirklich hervorragend, aber leider auch schwer und sehr unhandlich sind. Sie werden weiterhin in meinem Sortiment bleiben. Zukünftig werde ich aber nur noch meine Videoleuchten auf diesen Stativen montieren. Wahrscheinlich werde ich für meine Blitze über kurz oder lang zum Manfrotto Stativ Nano wechseln, welcher eine ähnliche Höhe erreicht, aber deutlich leichter und kompakter ist. Außerdem nutze ich derzeit noch die Diffuser, Grids und Gels von Godox für den V1, bin aber nicht so richtig zufrieden, da gerade die Nutzung der Gels frickelig ist und mich bei einer Hochzeit zu viel Zeit kostet. Deshalb werde ich vermutlich auch hier upgraden und das deutlich teurere, aber wohl auch deutlich bessere MagMod-System anschaffen. Nachfolgend möchte ich dir erläutern, wie ich in den verschiedenen Phasen einer Hochzeit Blitzlicht einsetze.

Getting ready

Natürlich ist es ideal, wenn das Brautpaar Räumlichkeiten mit weißen Wänden zur Verfügung hat, die groß und aufgeräumt sind und in denen große Fensterfronten in Nordrichtung vorhanden sind. Oft ist dies aber nicht oder nur zum Teil der Fall. Das erste, worum ich bitte, ist alle künstlichen Lichtquellen auszuschalten. Es ist nämlich so, dass je nach Wetterlage vom Fenster Licht mit einer Farbtemperatur zwischen 4500 und 6500 Kelvin hereinscheint und die meisten künstlichen Lichtquellen strahlen mit etwa 3000-4000 Kelvin. Schießt man jetzt bei eingeschalteten Lichtquellen ein Foto, entsteht im Bild eine Mischlichtsituation und insbesondere auf der Haut sieht dies nicht schön aus, da Teile des Gesichts dann einen natürlichen Ton haben und andere deutlich zu orange oder blau werden.

Es kann sein, dass du vom Visagisten nicht die Erlaubnis bekommst die Lichter auszuschalten. In dem Fall solltest du versuchen mit dem Visagisten einen Kompromiss einzugehen. Ich bitte dann darum die Lichter für 2-3 Minuten auszuschalten, damit ich ein paar schöne Bilder vom Schminken der Braut machen kann. Im Idealfall schminkt der Visagist die Braut bereits vor dem Fenster, sodass ich das natürliche Licht für mich nutzen kann.

Manchmal ist dies aber nicht möglich, sodass ich gezwungen bin meinen Blitz zu nutzen. Um ein möglichst schönes, gleichmäßiges und schmeichelndes Licht zu erzeugen, solltest du die Wände im Raum als Reflektoren nutzen und deinen Blitz als „Bounce-Flash“ einsetzen. Idealerweise nimmst du dafür eine weiße Wand und die Decke, sodass das reflektierte Licht immer noch weiß ist und von vorne und oben kommt. Ein dunkler, fader Raum wird auf diese Weise wunderschön hell und vor allem die Haut der Braut kommt so zum Strahlen.

Mein Aufsteckblitz zeigt nach oben und hinten. Dadurch entsteht diffuses Licht auf der Haut und die Vorhänge sind durch die Sonneneinstrahlung nicht überbelichtet.

Beim Bräutigam tendiere ich häufiger dazu auf den Blitz zu verzichten und nur das Fensterlicht zu nutzen, da Bilder mit etwas mehr Tiefe und dunklen Bereichen zum Bräutigam in meinen Augen etwas besser passen.

Trauung

Bei Trauungen habe ich noch nie einen Blitz benutzt. Insbesondere in Kirchen würde ich es wahrscheinlich auch zukünftig nicht machen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich nicht bei der ein oder anderen standesamtlichen oder freien Trauung hin und wieder einen Blitz einsetzen würde. Erst kürzlich habe ich bei einer standesamtlichen Hochzeit in unserer wunderschönen Wuppertaler Stadthalle gedacht, dass es den Fotos sehr gut getan hätte, wenn ich geblitzt hätte. Die Standesbeamtin hat mir vor der Trauung sogar die Erlaubnis erteilt, aber ich habe mich nicht getraut, in Sorge davor die Gäste bei der Zeremonie zu stören. Wahrscheinlich wäre es aber total in Ordnung gewesen, wenn ich 10-15 geblitzte Fotos während der Trauung gemacht hätte. Gerade in Standesämtern oder auch wie hier in der Stadthalle, gibt es zwar schöne Deckenleuchten, aber auf dem Gesicht machen diese häufig ein gruseliges Licht. Direkt von oben entstehen dabei diese typischen Waschbäraugen mit den fetten Schatten in den Augenhöhlen.

Würde ich diese Trauung heute nochmal fotografieren, dann würde ich auch blitzen. Da in der Stadthalle große Leuchten mit sehr warmem Licht (etwa 2800 Kelvin) hängen, käme auf meinen Blitz zunächst ein CTO-Gel (Color-temperature orange) und ein Diffusor und ich würde nach oben und vielleicht ganz leicht nach vorn blitzen. Das Gel sorgt dafür, dass das etwa 5500 Kelvin warme Blitzlicht wärmer wird (etwa 3800 Kelvin). Damit wäre ich zumindest einigermaßen in der Nähe der Umgebungs-Lichttemperatur und die Bilder würden schön und natürlich aussehen. Der größte Vorteil durch das Blitzen wäre, dass alle hässlichen Schatten auf den Gesichtern aufgehellt werden würden.

 

Paarshooting

Auch beim Paarshooting nutze ich noch am liebsten natürliches Licht, gehe mit den Paaren in „offenen Schatten“, arbeite mit Gegenlicht oder nutze die untergehende Sonne, bei der das Licht durch die Atmosphäre so wunderschön gebrochen wird. Manchmal ist aber auch das nicht möglich und dann ist es natürlich super, wenn man in der Lage ist mit künstlichem Licht wunderschöne Portraits zu zaubern. Ich möchte hier als Beispiel ein Video von Lin & Jirsa empfehlen, die es einem Paar ermöglicht haben, ein „Golden-hour“ Foto zu erhalten, obwohl es keine Golden Hour gab. Du findest das Video unter https://www.youtube.com/watch?v=dh5-t548Gpc

Schön sind zum Beispiel aber auch Silhouetten-Fotos, bei denen du den Blitz direkt hinter dem Brautpaar platzierst. Sollte es den ganzen Tag regnen, kannst du natürlich mit einem Schirm nach draußen gehen und Fotos machen. Schön ist es aber, wenn du in der Lage bist auch in der Location schöne Brautpaarfotos zu schießen, indem du deinen Blitz benutzt.

Anni & Julian bei ihrer Traumhochzeit in der Brügger Mühle

Im nächsten Jahr werde ich auch mal ausprobieren, ob ich diesen aktuell sehr „modernen Retro-Stil“ hinbekomme, bei dem das Brautpaar direkt angeblitzt wird und starke Schatten im Hintergrund und etwas härtere Konturen auf dem Gesicht entstehen.

 

Gruppenfotos

Auf der soeben bereits erwähnten Hochzeit in der Stadthalle wurden die Gruppenfotos direkt im Trausaal geschossen. Ich hatte glücklicherweise meine Blitze dabei. Auf den folgenden zwei Bildern kannst du sehen, wie das Bild ohne und wie es mit Blitzlicht aussah. Die Blitze standen etwa 7-8m von den Gruppen entfernt und waren nach oben und leicht nach hinten und außen gerichtet. Außerdem habe ich auf beide Blitze CTO-Gels montiert, sodass die Blitzlichttemperatur wieder mit dem Umgebungslicht einigermaßen harmoniert.

Vorher mit dem Umgebungslicht

Nachher mit zwei Blitzen

Mein Setup für die Gruppenfotos. Du darfst hierbei nicht zu weit hinter den Blitzen stehen, weil sonst der Blitz in deine Linse blitzt.

 

Hochzeitstanz

Für den Hochzeitstanz habe ich zwei Blitze auf Stativen, die relativ weit weg von der Tanzfläche stehen und dabei entweder direkt gegenüber voneinander oder ca. 140 Grad zueinander stehen und in etwa 2,5 Meter Höhe schräg auf die Tanzfläche hinunterzeigen. Der dritte Blitz ist direkt auf der Kamera und ist gleichzeitig Master für die beiden Blitze auf den Stativen. Dieser ist mit einem Diffusor versehen und zeigt nach oben. Im ersten Teil des Hochzeitstanzes mache ich so einige Bilder. Ich stehe dabei so, dass die beiden Blitze auf den Stativen von links und rechts oder von schräg vorne kommen, sodass schöne Haarlichter und Flairs entstehen können, die wunderschön aussehen und das Brautpaar von Hintergrund separiert. Der Aufsteckblitz sorgt dann dafür, dass das Brautpaar aufgehellt wird. Ich versuche schon vor dem Hochzeitstanz irgendeinen Gast als „Model“ zu nutzen, um die Intensitäten der Blitze richtig einzustellen. Während des Tanzes hier Änderungen vorzunehmen wäre mir deutlich zu stressig und unsicher.

Sollte ich einige schöne Bilder des Brautpaars gemacht haben, ändere ich mein Setup dahingehend, dass ich die entfesselten Blitze ausschalte, den Diffusor des Aufsteckblitzes entferne und direkt auf das Brautpaar blitze. Hierbei muss ich die Intensität des Blitzes deutlich reduzieren. Kleiner Tipp: Wenn ich anfange zu blitzen, stelle ich meine Kamera so ein, dass ich nach jedem Foto 0,5 Sekunden lang eine Vorschau des Fotos sehen kann. Dadurch kann ich innerhalb kürzester Zeit die Intensität des Blitzes korrigieren. Durch diese zweite Technik entstehen Bilder, bei denen das Brautpaar voll ausgeleuchtet ist, aber der Hintergrund sehr schnell absäuft. Ich mag diese Bilder, da sie eine andere Intimität transportieren.

 

Party

Wenn es dann zur Party übergeht, nutze ich weiterhin diese beiden Blitztechniken. Zusätzlich wechsle ich aber auch häufig zur Technik „Drag the Shutter“. Hierbei kommt ein Phänomen zustande, das ich immer noch erstaunlich finde. Dadurch, dass ich eine Person direkt anblitze, wird diese im Bild „eingefroren“. Und das gilt, egal welche Verschlusszeit ich wähle. Ich kombiniere bei dieser Technik also den direkten Blitz mit einer langen Verschlusszeit. Ich wähle hier meistens eine Verschlusszeit von etwa ½ Sekunde. Mein Iso-Wert liegt etwa bei 400-1600 und meine Blende ist weit geschlossen bei etwa f8-f13. Die Kamera stelle ich auf manuellen Fokus und auf etwa 2m Fokusentfernung. Ich habe dadurch zwei Vorteile. Erstens habe ich durch die kleine Blende fast alles im Fokus und zweitens muss meine Kamera vor dem Auslösen im dunklen Bild nicht erst noch den Fokus finden. Ich kann also sehr schnell viele Fotos machen. Der Effekt im Bild ist der, dass die fotografierte Person klar zu sehen (eingefroren) ist und es kaum Bewegungsunschärfe gibt, aber der Hintergrund und vor allem die Lichter im Hintergrund verschwimmen und zu Lichtstreifen werden. Diesen Effekt kannst du noch verschärfen, indem du die Kamera nach der Auslösung in deiner Hand drehst. Das Verrückte und die Dynamik, die dadurch im Bild enstehen, mag ich sehr.

Wenn ich übrigens mal den Wunsch habe, Neues auszuprobieren, mache ich das gerne direkt bei den Hochzeiten. Wichtig ist dann, dass du zunächst alt bewährtes machst, damit du die wichtigen Aufnahmen wirklich sicher hast und erst anschließend ausprobierst. Manchmal kann ich das machen, ohne dass jemand dies mitbekommt und manchmal frage ich aber auch das Brautpaar, ob sie etwas dagegen haben, wenn ich mal 2-3 Minuten etwas Neues ausprobiere.

Ich wünsche dir viel Freude dabei diese Techniken zukünftig selbst auszuprobieren. 

Dein Paco

 

 

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Mein Familien-Fotobuch Teil I - Die Vorbereitungen

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Why?